Lu177-PSMA-Radioligandentherapie
Eine effektive Therapieoption beim metastasierten Prostatakarzinom
Das Prostata-Karzinom ist – mit über 65.000 Fällen pro Jahr – die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland. Bei Patienten mit einem metastasierten, kastrationsresistenten Stadium zeigt sich oftmals ein aggressiver Krankheitsverlauf. Dies betrifft deutschlandweit fast 15.000 Patienten pro Jahr.
In den letzten 10 Jahren hat sich bei Patienten, die bereits alle zugelassenen Therapien ausgeschöpft hatten, die Radio-Liganden-Therapie (RLT) mit Lutetium-177 (Lu-177) markierten PSMA-Antagonisten als weitere Behandlungsoption etabliert.
Therapieerfolge und Therapiezahlen
Aufgrund der überwiegend sehr guten klinischen Ergebnisse im Sinne einer Lebensverlängerung und gleichzeitigen Verbesserung der Lebensqualität, kam es zu rasant steigenden Therapiezahlen in den letzten Jahren mit einem mittleren jährlichen Wachstum von ca. fast 30%. Aufgrund dieser guten Therapieerfolge wurden im Jahr 2022 in Deutschland über 5.000 Lu-177-PSMA-RLT durchgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine zugelassene Substanz und die Therapien konnten im Rahmen eines sogenannten „individuellen Heilversuches“ auf individueller Basis unter §13.2b AMG angewandt werden.
Im Rahmen der Phase-III VISION Studie, in der Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) nach Taxan- und Androgenrezeptor-gerichteter Therapie mittels Lu-177 PSMA-Ligandentherapie (Pluvicto®) therapiert wurden, konnte eine Erhöhung des Gesamtüberlebens und eine Verzögerung des Krankheitsprogresses erreicht werden. Basierend auf diesen positiven Ergebnissen konnte die Radio-Liganden-Therapie mit Lu-177 PSMA-617 unter dem Handelsnamen Pluvicto® (Novartis®) zugelassen werden.
Ausblick
Die ermutigenden Ergebnisse des VISION-Trials hat Novartis® dazu veranlasst, neue Phase-III-Studien in früheren Krankheitsstadien zu starten. Hierbei soll nicht nur die Wirksamkeit von Pluvicto® bei Patienten ohne vorherige Chemotherapie untersucht werden (z.B. PSMAfore Studie), sondern in noch früheren Stadien zur Anwendung kommen (z.B. additiv zur antihormonellen Therapie, PSMAddition Studie).
Am 5. Dezember 2022 hat Novartis bekannt gegeben, dass PSMAfore den primären Endpunkt erreicht hat und bei mCRPC-Patienten eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens im Vergleich zur Umstellung der antihormonellen Therapie erreichen kann. Es ist also zu erwarten, dass die Lu-177-PSMA-RLT als effektive und gut verträgliche Therapie mittelfristig auch in früheren Stadien des Prostatakarzinoms zur Anwendung kommen wird.
Lu-177-PSMA-RLT bei DIE RADIOLOGIE
Unser Team der Nuklearmedizin bestehend u.a. aus Priv.-Doz. Dr. med. Harun Ilhan, Prof. Dr. med. Andrei Todica und Priv.-Doz. Dr. Dr. Marcus Unterrainer verfügt über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der nuklearmedizinischen Therapie, insbesondere im Rahmen der Behandlung von Patienten mit einem Prostata-Karzinom.
Im Folgenden möchten wir die wichtigsten Fragen aus dem klinischen Alltag zur Lu-177-PSMA-RLT beantworten. Diese Informationen sollen nicht die ärztliche Aufklärung vor einer Therapie ersetzen, die vorliegenden Informationen sollen primär zu Ihrer Orientierung dienen. Die ausführliche Aufklärung erfolgt im Rahmen des Indikationsgespräches oder im Rahmen des stationären Aufenthaltes bei unseren Kooperationspartnern.
Funktionsweise der Radioligandentherapie – wie wirkt die Therapie mit radioaktiv markierten PSMA-Liganden?
Krebszellen, die von der Prostata ausgehen, tragen in der Regel auf der Zelloberfläche das sogenannte Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) in viel höherem Ausmaß als alle anderen Zellen des Körpers. Dieses Membranantigen dient wie ein Magnet für bestimmte Peptide, sogenannte PSMA-Liganden, welche mit einem therapeutisch wirksamen radioaktiven Strahler (dem Beta-Strahler Lu-177) radioaktiv markiert sind (Pluvicto®). Nach Injektion dieses Radioliganden reichert sich die Therapiesubstanz im Tumor an, indem das Eiweißmolekül spezifisch an das PSMA auf den Tumorzellen bindet, was zu einer gezielten Bestrahlung der Tumore und Metastasen führt.
Diese therapeutische Strahlung hat im menschlichen Gewebe nur eine geringe Reichweite von wenigen Millimetern. Dies führt zu einer hohen Dosis im Tumor-Zielgewebe bei gleichzeitiger Schonung des gesunden, umgebenden Gewebes. Bei der RLT kann somit eine höhere und effektivere Strahlendosis direkt gegen die Krebszellen gerichtet werden als beispielsweise bei einer konventionellen Strahlentherapie von außen.
Wie bereits erwähnt, konnte in mehreren klinischen Studien erfolgreich nachgewiesen werden, dass mittels RLT Tumore stark verkleinert oder in ihrem Wachstum gebremst werden können. In Folge der RLT kann sich die Lebensqualität bedeutend verbessern und die Lebenserwartung erhöhen. Der Therapie-Effekt hängt von der Intensität der Anreicherung ab.
PSMA-Therapie: Anwendung
Voraussetzungen, Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge
Die RLT ist bei Patienten mit Tumoren und Tochtergeschwülsten (Metastasen) anwendbar, die eine ausreichende Ausprägung des PSMA auf der Tumorzelloberfläche aufweisen und auf andere Behandlungen (Hormontherapie, Strahlentherapie von außen oder Chemotherapie) nicht mehr ansprechen. Bevor eine Lu-177-PSMA-RLT durchgeführt werden kann, muss durch eine spezielle Bildgebung (PSMA-Liganden PET/CT, z.B. Locametz®) zunächst der PSMA-Status und die Indikation zur Durchführung der Therapie überprüft werden.
Neben weiteren Voraussetzungen, welche die behandelnden Ärzte vor einer RLT im Detail individuell mit Ihnen prüfen, muss eine gute Nieren- und Knochenmarksfunktion vorhanden sein. Diese Voruntersuchungen (z.B. Nierenfunktionsszintigraphie, Laborwerte) können selbstverständlich an unseren nuklearmedizinischen Standorten durchgeführt werden. Alternativ können Sie die Untersuchungen selbstverständlich auch bei Ihrem Urologen bzw. bisher betreuenden Nuklearmediziner durchführen lassen. Eine Anmeldung zur Indikationsstellung einer Lu-177-PSMA-Therapie kann unter folgender Telefonnummer erfolgen: 089 550 596 720.
Allgemein müssen folgende klinische Kriterien vor einer möglichen Therapie erfüllt sein:
- Vorbehandlung: Inhibition des Androgenrezeptor-Signalwegs (Hormontherapie / ARSI, z.B. Enzalutamid, Abiraterone etc.)
- Vorbehandlung: Taxan-basierte Chemotherapie (z.B. Docetaxel)
- älter als 18 Jahre, progredientes (fortschreitendes) PSMA-positives und metastasasiertes, kastrationsresistents Prostata-Karziom (mCRPC)
- Kombination mit antihormoneller Therapie (ADT, z.B. Leuprorelin)
- In oder ohne Kombination mit ARSI (z.B. Enzalutamid, Abiraterone etc.)
- Weitere Progression der Erkrankung unter den oben genannten Therapien
Beispielhaft kommt bei folgenden Patienten eine Therapie mit Lu-177-PSMA (Pluvicto®) in Frage:
Liegt eine ausreichende Anreicherung der Therapiesubstanz vor, kann die Therapie unter stationären Bedingungen durchgeführt werden und erfolgt als Infusion über eine Vene.
Um die Strahlenbelastung zur reduzieren, werden unmittelbar vor, während und in den Folgetagen nach Verabreichung der Therapiesubstanz Flüssigkeitsinfusionen über die Vene verabreicht, beziehungsweise wird der Patient motiviert, vermehrt Flüssigkeit zu trinken.
Um die Speicherintensität im Tumor sowie den Abbau der Therapiesubstanz zu kontrollieren, werden in den Folgetagen nach der Therapie szintigraphische Ganzkörperaufnahmen und Blutentnahmen durchgeführt.
Die Therapie erfolgt im Rahmen eines durchgehend stationären Aufenthaltes und dauert in der Regel 2-3 Tage. Wie bereits erwähnt, ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr am Tag der Therapie und den Folgetagen ratsam, da hierdurch die Strahlenbelastung der Nieren und des restlichen Körpers verringert werden kann.
In Deutschland gelten strenge Strahlenschutzgesetze. In den ersten 48 Stunden nach der Therapie darf die Station nicht verlassen werden. Auch Besuche von Angehörigen sind auf einer nuklearmedizinischen Therapiestation in der Regel nicht erlaubt. In Ausnahmefällen sind helfende Personen im Sinne des Strahlenschutzes zugelassen. Hier sollte eine enge Abstimmung mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten auf der Therapiestation erfolgen.
Kein medizinischer Eingriff ist völlig frei von Risiken. Trotz größter Sorgfalt kann es bei der RLT zu Nebenwirkungen und Komplikationen kommen. Im Rahmen eines individuellen Aufklärungsgespräches vor der Therapie werden mögliche Nebenwirkungen mit Ihnen durch den aufklärenden Arzt ausführlich besprochen.
Mögliche Nebenwirkungen während der Therapie (exemplarisch):
- Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit
- Fieber im Anschluss an die Therapie
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit (können bis wenige Wochen nach der RLT andauern)
- Theoretisch kann es zu allergischen Reaktionen unter der Verabreichung der Therapiesubstanz bis hin zum allergischen Schock kommen
- In seltenen Fällen sind Geschmacksveränderungen beschrieben
Mögliche Nebenwirkungen nach der Therapie (exemplarisch):
Zu den möglichen unerwünschten Nebenwirkungen zählen unter Umständen eine Abnahme der Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), der Blutplättchen (Thrombozyten) und der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), bei mehrmaligen Therapien kann dies auch langfristig auftreten. Des Weiteren kann es zu einer Einschränkung der Nierenfunktion, zu trockenen Augen sowie zu einer Verminderung der Speichelproduktion mit Mundtrockenheit kommen.
Auch wenn rechtlich besondere Strahlenschutzmaßnahmen nach dem stationären Aufenthalt nicht mehr erforderlich sind, sollten Sie gewisse Regeln beachten, um Ihr Umfeld vor einer unnötigen Strahlenbelastung zu schützen. Gegenstände einschließlich Kleidung, die Sie mit auf die Station bringen, dürfen Sie in der Regel wieder mit nach Hause nehmen (ausgenommen stark kontaminierte Gegenstände).
Geringste Mengen Radioaktivität in der Wäsche können durch einmaliges Waschen leicht beseitigt werden.
In der Regel wird bei der Entlassung von der Therapiestation darauf geachtet, dass mit keiner wesentlichen Strahlenbelastung der Umgebung zu rechnen ist. In den ersten Tagen (bis 1 Woche) nach der Entlassung sollte der engere körperliche Kontakt mit Schwangeren und Kleinkindern zeitlich beschränkt werden. Sollten Sie in den Wochen nach der Therapie Flugreisen planen, fragen Sie Ihren behandelnden Nuklearmediziner nach einer entsprechenden Bescheinigung zur Vorlage am Flughafen. Weitere Verhaltensmaßnahmen nach der Therapie hängen von der Aufenthaltsdauer auf der Therapiestation ab und sollten gezielt mit ihrem behandelnden Nuklearmediziner besprochen werden.
Nach Entlassung von der Therapiestation sind regelmäßige Laborkontrollen der Blut-, Leber- und Nierenwerte erforderlich. Diese kann in den meisten Fällen heimatnah durch den Hausarzt, den Urologen oder den Onkologen am Wohnort durchgeführt werden. In der Regel werden bis zu 6 Therapiezyklen mit Pluvicto® in einem Abstand von ca. 6 Wochen durchgeführt. Bei Gegenanzeigen kann das Intervall auf bis zu 10 Wochen ausgedehnt werden. Zur Überprüfung des Therapieansprechens sowie zur Untersuchung von Nebenwirkungen und Komplikationen können Nachsorgeuntersuchungen (z. B. PET/CT, Nierenszintigraphie) in regelmäßigen Abständen erfolgen.
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Tag 1 (Montag, ab 8:00 Uhr): Aufnahmegespräch, Aufklärung, Blutentnahme, gegebenenfalls Nierenszintigraphie (falls nicht vorab erfolgt), Durchführung der Therapie, mindestens 48-stündiger Aufenthalt auf der Therapiestation
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Tag 2 (Dienstag): gegebenenfalls szintigraphische Ganzkörperaufnahme und Blutentnahme
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Tag 3 (Mittwoch): szintigraphische Ganzkörperaufnahme und Blutentnahme und Entlassungsgespräch. 48 Stunden nach Initiierung der Therapie dürfen Sie ggf. bereits die Station wieder verlassen (hier muss der Strahlenschutz berücksichtigt werden; Vermeidung einer kumulativen Strahlenbelastung von >1 mSv/Jahr von Angehörigen)
Folgende Gegenstände sollten Sie für den stationären Aufenthalt mitbringen:
- Alle Ihnen vorliegenden Unterlagen, die Ihre Erkrankung betreffen.
- Notwendige Aufnahmen: PSMA-Bildgebung, Nierenszintigraphie, Blutwerte.
- Medikamente, die Sie einnehmen.
- Ausreichend Kleidung zum Wechseln und Hygieneprodukte.
- Gegebenenfalls Brille, Bücher, Laptop, Handy, Tablet etc
Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Wir sind für Sie da.
Alle notwendigen Voruntersuchungen und das Indikationsgespräch vor einer Lu-177-PSMA RLT können Sie gerne an unseren nuklearmedizinischen Standorten durchführen lassen:
- ISAR Klinikum (Nierenszintigraphie, PSMA-Bildgebung und Indikationsgespräch)
- München Zentrum (Nierenszintigraphie)
- Praxis im Schaefflerhof (Nierenszintigraphie und Indikationsgespräch)
Bitte bringen Sie hierfür alle Ihnen vorliegenden Unterlagen mit, welche Ihre Erkrankung betreffen (Arztbriefe, Histologie, Medikamentenplan, etc.). Eine Terminvereinbarung zum Indikationsgespräch kann über die Telefonnummer 089 550 596 720 oder per E-Mail erfolgen. Vorab bitten wir Sie den folgenden Anmeldebogen auszufüllen: Indikationsgespräch-PSMA-RLT.
Sollten Sie über die Indikation für eine Lu177-PSMA-RLT verfügen und alle notwendigen Voraussetzungen erfüllen, werden wir Ihnen zeit- und heimatnah einen Termin zur Therapie bei unseren Kooperationspartnern in München (Klinikum der Universität München oder Klinikum Rechts der Isar), in Augsburg, Landshut oder in Nürnberg zur Verfügung stellen.